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Welche Rolle spielt Kunst im religiösen Dialog?

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„Welche Rolle spielt Kunst im religiösen Dialog?“

geschrieben am 07.12.2016 12:48

Welche Fragen wirft Kunst im religiösen Zusammenhang auf oder beantwortet sie? Inwieweit fördert Kunst diesen Dialog, inspiriert divergente Zugänge, fordert Toleranz und sorgt für weitreichende Blicke? Mit der allumfassenden Fragestellung „Welche Rolle spielt Kunst im religiösen Dialog“ haben wir für die vorliegende Ausgabe bei ausgewählten anerkannten Religionsgemeinschaften Österreichs nachgefragt, welche jeweilige Haltung diesbezüglich vertreten wird. Wer uns darauf umfassend geantwortet hat, lesen Sie hier. 


„Kunst fordert Toleranz“ 

Kunst ist eine Sprache, die Barrieren überwindet und damit zur Brücke wird. Sie dient nicht nur dem Dialog in der Diversität der Kulturen, sondern trifft auch maßgeblich für den Austausch unter den Religionen zu. Gestern und Heute verschmelzen dabei latent ineinander. Zunächst ist sie eine Auseinandersetzung mit aktuellen Themen, die das Leben betreffen – nicht zuletzt auch mit Fragen des Glaubens. Nicht selten schaffen Kunst­ werke die Zusammenschau von unterschiedlichen religiösen Orientierungen in Geschichten, die sie in leicht verständli­cher – oder in der zeitgenössischen Kunst – oft in reduzierter Form erzählen. Kunst­ schaffende stellen und stellten sich immer wieder der Herausforderung, Transzen­denz zu „materialisieren“ und damit die ganz persönliche Erfahrung mit dem Göttlichen widerzuspiegeln. Daraus resul­tiert unweigerlich eine „Spannung“, die Geschaffenes mit Geschaffenem in den Diskurs treten lässt und den Betrachter in diesen Austausch miteinbezieht. Häufig ist daher auch die Kunst der Anstoß für den interreligiösen Dialog, der sich an ihr entzündet. Kunst fordert Toleranz! Das bedeutet im Konkreten, den eigenen Stand­ punkt nicht zu verabsolutieren, sondern sich dem Geschauten zu öffnen. Dadurch können Zugänge entstehen, die in eine tief empfundene Achtsamkeit münden. Der Sinn des religiösen Dialogs ist es nicht, den anderen mit der eigenen Überzeugung zu vereinnahmen, sondern ehrlichen Res­pekt voreinander zu stiften, der eine friedliche Koexistenz ermöglicht. Wo Kunst es schafft, Menschen verschiedener Glaubensrichtungen anzusprechen und sie in den respektvollen Dialog führt, dort hat sie es erreicht, universelle Sprache zu werden, die verbindet und nicht trennt. 

Dr. Alois Schwarz, ist seit 2001 Bischof der Diözese Gurk. In der Österreichischen Bischofskonferenz ist er für die Bereiche „Pastoral, Katechese und Evangelisierung“, „Wirtschaft, Soziales, Landwirtschaft und Umwelt“ sowie „Kirche und Sport“ zuständig. 

„Neugierde“ 

Kunst im religiösen Dialog macht neugie­rig auf das ganz Andere. Sei es das Fremde in anderen Religionen oder unser unbekanntes innewohnende Potential von Mitgefühl und Weisheit, das nur darauf wartet entwickelt zu werden. Die Begegnung mit mir und dem Anderen schafft Möglichkeiten zur eigenen Entwicklung und gelebter Toleranz. Kunst in buddhistischen Ländern veranschaulicht wesentliche Aspekte der Lehre des Buddha: Thailändische Buddha­ Statuen als Symbol für unser eigenes Potential von Mitgefühl und Weisheit, tibetische Thankha als psychologische Reiserouten zum Erwachen oder japanische Tuschbilder als Einladung, die Schön­heit des vergänglichen Augenblicks zu genießen. Unsere innewohnenden Qualitäten von Mitgefühl, Weisheit, Gelassenheit und Verbundenheit zu entfalten und im Alltag zu leben, ist die Essenz des Buddhismus. Dazu bietet er eine Fülle von unterschied­lichen Methoden, die sich traditionell in die drei Bereiche Ethik, Meditation und Einsicht unterteilen.
Bei all diesen Methoden geht es immer wieder um die Frage, wie gehe ich mit dem Anderen bzw. mit den in mir auftau­chenden Gedanken und Gefühlen um. Kann ich mitfühlend mit unangenehmen Gefühlen sein? Kann ich trotz abwertender Gedanken offen für mich und andere bleiben? Kann ich bei äußerem Stress gelassen in meinem eigenen Tempo arbei­ten?
Habe ich durch das ethisch­meditative Training des Buddhismus gelernt, furcht­ los und mitfühlend mit meinen Gedanken und Gefühlen umzugehen, kann ich mit dieser Haltung auch im Alltag furchtlos, mitfühlend und tolerant mit anderen Menschen, Kulturen und Religionen umge­hen. 

Dipl.-Psych. Frank Zechner, arbeitet als Supervisor (ÖVS), leitet in Kärnten Achtsamkeitskurse (Mitglied des MBSR Verband Austria), ist Buchautor und zeichnet regelmäßig Cartoons für das Programm der Österreichischen Buddhistischen Religionsgesellschaft.  

„Pluralität des Sehens“ 

Seit Beginn meiner Amtszeit als Superin­tendent nütze ich einen Teil der Räumlichkeiten der Superintendentur als Gale­rie. Mit den Ausstellungen und Lesungen, die regelmäßig stattfinden, entwickelt sich permanent ein lebendiger Dialog zwischen zeitgenössischer bildender Kunst, Litera­tur und religiösen Themen. Im Spannungsfeld der Vielfalt entsteht ein kreativer Resonanzraum, der sich für alle Beteilig­ten sehr fruchtbar auswirkt. In der Begegnung, in den anregenden Diskussionen und aus divergierenden Sichtweisen eröff­net sich eine Pluralität des Sehens, Den­kens und Glaubens. Daraus wiederum entstehen wichtige Impulse für Kunst, Theologie und für unser Zusammenleben.
Zurzeit präsentiert der in Villach gebo­rene und in Wien lebende Künstler Robert Kummer seine jüngsten Werke zum The­ma „Micorevangelien“. Auf meine Nachfrage hin, wie er zu diesem Titel gekom­men ist, hat mir Robert Kummer das Buch „Was geschah im 20. Jahrhundert“ von Peter Sloterdijk als Inspirationsquelle übermittelt. Sloterdijk nimmt in einem Kapitel seines Buches Bezug auf Boccac­cios Dekamerone, das Zehntagebuch, aus dem Jahre 1353. In dieser Zeit wütete in Florenz und in der Umgebung die Pest mit einer ungeheuren Gewalt und Geschwin­digkeit. Diesem Schrecken und Unheil stellt Boccaccio seine „novellistische Par­ allelgesellschaft“ entgegen. Zwei Meilen von der verpesteten Stadt entfernt, auf einem Hügel, treffen sich sieben junge Frauen und drei junge Männer in der Kirche Santa Maria Novella zu einer „Ver­schwörung der Heiterkeit und Höflichkeit“ mit dem Ziel, sich gegen den Zerfall des Lebens zu stellen. Sie tun dies, indem sie sich Geschichten erzählen. Jede Geschich­te, die Hoffnung gibt und ermutigt, ist wie ein Mikroevangelium, eine gute Nachricht aus einer offenen Welt.
Hier treffen, berühren und befruchten sich Glaube, Religion und Kunst. Gemeinsam versuchen wir mit unterschiedlichen Ausdrucksmöglichkeiten Geschichten zu erzählen, die heilsam wirken, die Mut machen und neue Perspektiven gegen das Zerstörerische ermöglichen.  

Manfred Sauer, am 20. November 1960 in Bernstein geboren. Nach der Matura Studium der Theologie in Wien und Hamburg. 1987 Vikar und dann Pfarrer in Pörtschach am Wörthersee. Seit 2002 Superintendent der Evangelischen Kirche Kärnten und Osttirol.  

Anpassungsfähig und wandelbar“ 

„Gott ist schön und ER liebt das Schöne.“ Getreu diesem Ausspruch des Propheten Muhammed entwickelte sich unter Mus­limen früh ein Bewusstsein dafür, Hand­lungen „schön“ auszuführen, dabei von Gegenständen unterstützt zu werden, die nicht nur funktional, sondern auch „schön“ sind. So kommt es, dass selbst Haushalts­geräte eine künstlerische Ausgestaltung erfuhren. Diese Eigenheiten in einem Dialog zu thematisieren, eröffnet Wege voneinander und von sich selbst zu erfah­ren und unverkrampft zu Fragen der Identität vorzudringen.
Selbstverständlich entwickelten sich auch Kunstformen, um dem religiösen Empfin­den Gestalt zu geben. Vor allem in ihrer mystischen Ausprägung haben Gedichte weite Verbreitung gefunden. Hafez und Saadi inspirierten Goethe so zu seinem „West­Östlichen Divan“. In seinem Kon­zept von „Weltliteratur“ beschreibt er den literarischen Austausch als Weg in der Viel­falt der Völker und Religionen, immer wieder Momente des dem menschlichen Wesen an sich zutiefst Eigenen zu entdecken und so zur Völkerverständigung beizutra­gen. In diesem Zusammenhang erfand er auch den Begriff einer „Weltfrömmigkeit“.
Aber auch praktische Erfordernisse des Glaubenslebens führten bei Muslimen zu künstlerischem Aufschwung. Rund um den Moscheebau entwickelten sich Architektur, Kalligraphie und Ornamentik. In der Kunst wird Religion nicht als starres Korsett, sondern als höchst anpassungs­fähig und wandelbar erfahrbar.
Im gemeinsamen Nachdenken über die Wirkung und vielleicht auch die künstlerische Absicht eines Werkes lässt sich ein Austausch führen, der rasch zu essentiel­len Fragen des Glaubens vordringt. In der Brechung des „Was heißt das für mich?“, die ja schon im Kunstwerk selbst als Abstraktion steckt, kann es gelingen Fragen der Theologie sehr menschlich konkret zu diskutieren. So sollte Kunst viel stärkere Wertschätzung im interreligiösen und interkulturellen Dialog erfah­ren und als positives Moment des Gedan­kenaustauschs eingesetzt werden.  

Mag. Esad Memic, geb. 23.10.1974, verheiratet , 3 Kinder. Ausbildung: Islamische theologische Fachschule & Islamische pädagogische Fakultät. Beruflich: Fachinspektor für den islamischen Religionsunterricht in Kärnten und Steiermark, Vorsitzender der IRG- Kärnten und Vizepräsident der IGGiÖ. 

„Kunst kann Türen öffnen“ 

„Interreligiöser Dialog” im engeren Sinn: Organisierte Veranstaltungen, wo VertreterInnen verschiedener Bekenntnisse zusammenkommen. Im weiteren Sinn findet interreligiöser Dialog überall statt, wo Menschen verschiedenen Glaubens zusammentreffen und einander Irgendwas betreffend ihre Religion mitteilen. Bei der ungeplanten Begegnung läuft es unbe­ wusster, aber Dialog findet statt, indem man aufeinander reagiert. Im Rahmen der organisierten Veranstaltungen kann Kunst die Hemmschwelle des Zusammenkom­mens senken. Wenn der Oberrabbiner und der Bischof gemeinsam musizieren, ist das Zuhören einfacher, als einem ganzen Vortrag zu folgen. Kunst kann Türen öffnen. Allerdings wäre es naiv zu meinen, dass Kunst stets verbinde. Kunst kann spalten, Kunst kann sich dem Schüren von Vorurteilen widmen. Von mittelalter­lichen Synagoga-Ecclesia­-Bildnissen bis zu Propagandamusik ist die Weltgeschich­te voll von Beispielen. Natürlich ist es die andere Religion, die klischeehaft oder gar bösartig thematisiert wird. Was hat das mit Dialog zu tun? 1) Der organisierte Dialog ist sehr damit beschäftigt, gegen Klischees und Vorurteile anzukämpfen, die jahrhundertelang die Kunstgeschich­te durchwanderten. 2) Verunglimpfungen blieben nicht ohne Reaktion. Christliche mittelalterliche Buchmalerei kannte nega­tiv besetzte Bilder für Juden(tum). Jüdische Buchmaler griffen solche Motive auf, drehten Bedeutungen um und machten daraus ihre eigene Symbolsprache, mit der sie die christlichen Bilder zurückwie­sen.
Was heißt das heute? Kunst kann ver­schiedene Botschaften transportieren. Wir haben die Verantwortung, darauf zu ach­ten, welche Botschaften wir mit unseren Werken vielleicht unbedacht mittranspor­tieren. 

Friederike Ruth Winkler, Diplompädagogin für das Lehramt Jüdische Religion an Pflichtschulen. Magisterium in Judaistik. Doktorat in Politikwissenschaft sowie musikalische Ausbildung. Hält laufend Vorträge, Hebräischkurse und gibt Religionsunterricht.